Spinnerei Neuthal
Am oberen Ende des Töstals lag zwischen 1800 und 1850 die grösste Industriezone in Europa ausserhalb Englands. Durch die harte Konkurenz aus England lohnte sich die Heimspinnerei nicht mehr, so dass die Bauern in den unzähligen neu entstandenen Fabriken arbeiten mussten. Aus den umliegenden Bächen war das ganze Jahr über reichlich Wasser vorhanden, dass für den Antrieb der Spinnmaschinen benutzt wurde.
Die Spinnerei Neuthal entstand 1826. Eigentlich hiess der Ort Müetschbach, aber das wurde kurzerhand in Neuthal umbenannt. Der alte Name erschien nicht zweckmässig für das internationale Geschäft, da er im Ausland wegen dem Diphtong nicht ausgesprochen werden konnte.
Die Fabrik bezog die Antriebsenergie aus der Wasserkraft der umliegenden Bäche. Kurz vor der Jahrhundertwende standen gerade mal 130 PS zur Verfügung - soviel wie heute in einem Mittelklassenwagen installiert ist.
Eine der drei alten Turbinen war am Fuss eines turmartigen Gebäudes untergebracht. Im Turm verlief eine vertikale Welle, die ihre Kraft über eine Seiltransmission ins Fabrikgebäude weiterleitete und dort über Transmissionen die Spinnmaschinen antrieb. Alles kann heute noch in Betrieb besichtigt werden.
Die Spinnerei gehörte Adolf Guyer-Zeller, einer der grössten Industriellen der damaligen Zeit. Sein Einfluss auf die Schweizer Bahnen war so gross dass der Bundesrat Massnahmen gegen die Machtkonzentration beschloss. Dies führte zur Verstaatlichung der Bahnen und zur Gründung der SBB kurz nach der Jahrhundertwende.
Guyer-Zeller blieb aber nicht untätig und baute die Jungfraubahn. Diese auch heute noch äusserst beliebte Touristenbahn führt eigentlich nur aufs Jungfraujoch und nicht auf die Jungfrau selbst, den schon damals wehrten sich die Umweltschützer in Form des Schweizer Alpenklubs gegen den Bahnbau. Adolf Guyer-Zeller erlebte die Eröffnung der Bahn nicht mehr, denn er verstarb mit sechzig Jahren. Man sagt er hätte sich zu stark über die Verstaatlichung der schweizerischen Eisenbahnen aufgeregt.
... und noch etwas: Guyer-Zeller wollte natürlich für seine Fabrik auch einen direkten Anschluss an die 1882 eröffnete Gotthardbahn haben. Dafür baute er eine Bahnstrecke von Bauma nach Uerikon. Von dort sollte es mit einer Fähre über den See nach Horgen gehen und dann mit einer Seilbahn nach Horgen-Oberdorf zur Eisenbahnlinie in Richtung Luzern. Aber schon damals waren nicht alle Projekte erfolgreich: die Seilbahn wurde nie gebaut, die Fähre stellte schon bald den Betrieb wieder ein. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde ein Teil der Eisenbahnlinie abgebrochen und der letzte Teil ist nur noch als Museumsbahn in Betrieb. Hier ist dafür die Welt noch in Ordnung: da gibt es noch die schönen alten schweizer Bahnhöfe. Eigentlich hätte wir ja auch noch einen, aber die SBB lässt den komplett vergammeln und will dafür eine RV05 Station hinstellen.
Links: Spinnerei Neuthal.
Peter Christener